Lebe deinen Traum - Teil 2

 

"… woher nehmen, wenn nicht stehlen" – das war also die große Frage. Das Geld, um mich optimal auf meinen Traumberuf vorzubereiten, hatte ich damals nicht. Als Beamtin hatte ich zwar einen sicheren Job, doch damals war der Verdienst erst nach vielen Jahren „Beamtendasein“ attraktiv, je länger man dabei war, desto mehr verdiente man – automatisch. Nur – das Einstiegsgehalt war deutlich geringer als es in anderen Berufen der Fall war. Doch ich hatte mein Ziel vor Augen, es stand für mich fest: ich wollte unbedingt Reittherapeutin werden. Das tun, was mir entspricht. Und ich wollte dies dann auch gut machen – und nicht einfach „irgendwie“, sprich, ich brauchte eine richtig gute Ausbildung und Vorbereitung darauf. Und das kostet wie bereits im ersten Teil zu lesen war einfach eine ganze Stange Geld. Wie ich dieses aufbringen sollte war mir lange nicht klar und ich war schon recht frustriert…. Endlich hatte ich einen Beruf gefunden, der zu mir und meinen Begabungen passen würde – und nun sollte es daran scheitern, dass ich kein Geld hatte, um die Ausbildung zu bezahlen? Klar war mir damals schon, dass ich wenn ich später als Reit-Therapeutin arbeiten würde, auch einen therapeutischen „Grundberuf“ benötigen würde. Alles andere schien mir nicht viel Sinn zu machen.

Doch wie so oft im Leben, haben sich die richtigen Türen zur richtigen Zeit geöffnet. Ich hatte einen super Arbeitsberater beim Arbeitsamt (damals hieß es noch ganz offiziell so J). Dieser hat mir eine Möglichkeit aufgezeigt, wie ich die Ausbildung zur Physiotherapeutin finanziell stemmen konnte – ich musste lediglich ein Jahr lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein und hatte dann das mega Vorrecht, die Ausbildung im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme durchs Arbeitsamt finanziert zu bekommen. Denn mit meiner Ausbildung beim Finanzamt konnte ich nirgends anders unterkommen, nicht einmal bei einem Steuerberater… Das ist nochmals eine andere Geschichte – es war einfach so… Mit den finanziellen Möglichkeiten, die mir die Umschulungsmaßnahme bot, würde es zwar knapp werden um 3 Jahre lang über die Runden zu kommen – aber das war mir egal, ich habe noch nie viel Wert auf „Luxus“ gelegt. Es war trotz der recht spärlichen Finanzen einfach nur genial.

 

So kam es also, dass ich meinem Beamtenstatus auf Lebenszeit Lebewohl sagte und beim Pferdesporthaus Loesdau im Verkauf arbeitete. Ich tauchte ein in eine andere Welt, machte viele ganz neue Erfahrungen – und stellte unterm Strich fest, dass ich froh war, dass dies nur eine geplante Übergangszeit war und ich nicht länger im Verkauf arbeiten musste. Schon damals ging es mir gegen den Strich, Menschen etwas „aufzuschwatzen“, was sie eigentlich gar nicht unbedingt wollten oder brauchten. Das ist auch heute noch so und das bestimmt auch die Art und Weise, wie die Ausbildungen und Kurse auf dem Therapiehof – und natürlich auch die Reittherapie selbst – angeboten werden. Doch dazu später mehr.

 

Dennoch möchte ich diese Zeit nicht missen – es war eine sehr lehrreiche Zeit und ich lernte viele tolle Menschen kennen. Noch viel lehrreicher war dann die Zeit der Ausbildung zur Physiotherapeutin, ein enormer Kraftakt. Jeder, der diese Ausbildung hinter sich hat, weiß, wovon ich spreche. 3 Jahre lang büffeln ohne Ende, am Ende 29 Prüfungsfächer in einem Monat, unzählige Leitzordner voller Unterlagen, Notizen, noch viel mehr Fachbücher – lernen, lernen, üben, üben, lernen, üben – wenn man drin steckt, hat man das Gefühl, dass man diese Unmengen an Wissen niemals auch nur ansatzweise aufnehmen kann. Und doch – es geht… Und ich bin unglaublich dankbar, dass ich diese Chance bekam. Doch das war erst der Anfang, jetzt begann die Suche nach einem geeigneten Weiterbildungsanbieter – und: nach „meinem“ Therapiepferd…

 

Ich entschloss mich, erst dann mit der Weiterbildung zu beginnen, wenn ich „mein“ Pferd gefunden hatte. Denn das stellte sich als gar nicht so einfach heraus. Da es sich um mein erstes eigenes Pferd handelte, das ich kaufte bzw. zu kaufen beabsichtigte, war ich zu Beginn noch recht zuversichtlich, recht schnell „das Passende“ zu finden. Doch ich sollte eines Besseren belehrt werden. Zum einen war es schon schwierig, in nicht allzu großer Entfernung ein nicht zu großes und nicht zu kleines, nicht zu junges und noch nicht zu altes, gesundes und bezahlbares Pferd zu finden. Zum anderen war es extrem selten, um es einmal sehr positiv zu formulieren, dass ich auf ehrliche Verkäufer gestoßen bin. Was mir im Vorfeld einer Besichtigung für offensichtliche Lügen aufgetischt wurden – das hätte ich niemals geglaubt, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte. Damals dachte ich noch, dass nur mir so etwas passiert – inzwischen weiß ich von vielen anderen allerdings, dass meine Erfahrungen in Sachen „Pferdekauf“ leider kein Einzelfall sondern eher die Regel sind. Wie auch immer – ich bin dann auf ein Pferd gestoßen, das ich dann vielmehr aufgrund meines guten Bauchgefühls kaufte als aufgrund einer logischen Vernunftsentscheidung. Doch dieses Pferd stellte sich – als es erst einmal gekauft war J - als äußerst schreckhaft heraus. Ich konnte es nicht mal „einfach“ durchs Dorf führen, denn jedes parkende (!) Auto flößte ihm bereits Angst ein, geschweige denn wenn sich Fahrzeuge bewegten – oder gar laute Geräusche von sich gaben. Puh, das hatte ich mir anders vorgestellt und das hatte ich beim Probereiten so auch nicht erlebt… Es kam dann noch hinzu, dass es mich anfangs des öfteren auf Ausritten abgebuckelt hat und ich mir nie sicher sein konnte, wann es aus für mich unersichtlichen Gründen scheute und kopflos davongaloppierend das Weite suchte – mit mir oben drauf, sofern ich mich oben halten konnte. Dazu muss man wissen, dass ich damals recht sattelfest war, durch die Zeit auf Gläserkoppel hatte ich einen sehr ausbalancierten und sicheren Sitz, so schnell konnte mich also nichts unfreiwillig vom Pferd bringen. Doch dieses Pferdchen war hartnäckig. Stillstehen beim Putzen – weit gefehlt, es lies sich von jeder kleinsten Bewegung in seinem Sichtfeld komplett aus der Ruhe bringen, oft auch „aus der Fassung“… Anfangs zweifelte ich oft daran, ob ich mit ihm jemals würde Reittherapie machen können… War mein Bauchgefühl, welches mich zur Kaufentscheidung brachte, so komplett daneben? War ich gezwungen, es wieder zu verkaufen? Dazu kam, dass ich es mir damals einfach nicht leisten konnte, mir professionelle Hilfe zu holen, Reitunterricht oder ähnliches war einfach nicht drin im Budget. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich dem Problem alleine zu stellen und zu üben, Vertrauen aufzubauen, zu üben, zu üben, zu üben. Was man ebenfalls wissen muss: ich war und bin ebenfalls eine sehr schreckhafte Person, seit meiner Kindheit war das schon sehr auffällig bei mir und es wurde im Erwachsenenalter nicht wirklich besser. Eher das Gegenteil war der Fall… Eine äußerst ungünstige Kombination. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden Schrecktraining ich mit diesem Pferd gemacht habe, was ich mir habe alles einfallen lassen, um mit ihm zu üben, um sein Vertrauen zu gewinnen… es waren jedenfalls sehr sehr viele… Wie es weiterging – mit diesem Pferd oder mit einem anderen – ob ich mich erneut auf die Suche nach einem „geeigneten“ Therapiepferd machen musste und ob mich mein Bauchgefühl getäuscht hat – oder ob sich die Arbeit und der riesige Aufwand doch gelohnt hat… und wann und wo ich dann mit der Weiterbildung zur Reittherapeutin begonnen habe – das erfahrt ihr im nächsten Teil :-)...

 

Bis dahin,

 

Viele Grüße vom Therapiehof Brachfeld,

 

Sandra Rauch